DIE WOLKEN KÖNNEN TÄUMEN
KUNST IN DER SYNAGOGE AM NEUEN PALAIS POTSDAM
Es ist das »Wesen der Dinge«, das ich suche, und ich liebe es, Geschichten zu erzählen und zu hören. Durch das Studium der traditionellen Kalligrafie in Südkorea und dann der zeitgenössischen westlichen Malerei an der Universität der Künste in Berlin beschäftigte ich mich schon früh mit dem Spannungsfeld interkultureller Diskrepanzen. Besonders faszinierte mich dabei, wie sich dieser Zustand über das Individuum in die gesellschaftliche Ebene hinein auswirkt. Dieses Spannungsfeld erweiterte sich in mei ner Kunst zunehmend um die Themen der Globalisierung, der Technologie, der Natur sowie des (Lebens-)Raums, der uns umgibt, wobei konsequent subjektive Erfahrungen und meine Lebensgeschichte einflossen. Der Zugang zu diesen Themen ist sowohl in den großen Malereien, den aufwendigen Skulpturen, aber auch in der von mir entwickelten Col-lage-Technik aus selbst produziertem Reispapier stets emotional geprägt.
Um für das Projekt in der Synagoge am Neuen Palais in Potsdam einen inhaltlichen Ausgangspunkt zu finden, entschied ich mich für die Symbole des »Wassers« und des »Baumes«, um das »Wesen der Dinge« her-auszuarbeiten: In der (jüdischen) Religion steht der Baum als Symbol für das Leben. Er spendet Schatten in der Hitze und Früchte zur Ernährung; er ist dabei fest verwurzelt im Hier und Jetzt. Das Wasser transzendiert das Leben und macht mit seiner ewigen Tiefe das Paradies für den Menschen greifbar. Zudem ist es die Quelle, aus der das Leben entsteht und aus dem der Baum seine Lebenskraft zieht.
Um diesen wichtigen inhaltlichen Gedanken vom »Kreislauf des Lebens« in den Prozess der Skulptur hineinzuarbeiten, suchte ich nach einem Ansatz von besonderer Art. Ich zeichnete das Wasser mit seinen organischen Verläufen und Formen auf Aluminium und schnitt die so entstandenen »Wasser-Formen« anschließend aus dem Aluminium her-aus. Mit diesen »Cut-Outs« wurde die aus abstrahierten Bäumen, Wolken und Wasser bestehende Skulptur gestaltet. Das Wesentliche an dem Konzept ist also, dass alle Objekte aus den Strukturen des Wassers
»herausgearbeitet« wurden und damit der »Kreislauf des Lebens« durch den »Kreislauf der Materialien« reflektiert wird.
Eine besondere Rolle bei der Installation und Skulptur kommt dem Licht zu. Es bestrahlt die Skulptur selbst und ist zugleich auch in die gesamte Gestaltung der Synagoge integriert. Je nachdem, aus welcher Entfernung und aus welchem Winkel die Skulptur betrachtet wird, erlebt man ein neues sinnliches Spiel von Licht und Schatten, und alles ist in ständiger Bewegung und Erneuerung. Die Wolken scheinen immer einen anderen Traum zu träumen. Gleichzeitig lässt die blaue Illumination des Tora-Schreines und im Sitzbereich Besucher und Zuschauer in endlosem Wasser gleiten – eine Transzendenz zum Geistigen wird geschaffen. Die Rezipienten sollen angeregt werden, in sich selbst zu gehen, zu reflektieren und spirituell zu erforschen – um so die Träume der Wolken zu erspüren.